Ambivalentes Weihnachten?
8. Dezember 2007Zeit zur intensiven Lektüre hatte ich noch nicht – aber die aktuelle (Dezember-)Ausgabe der Straßenzeitung »trott-war« hat bereits mit ihrer Titelschlagzeile eine meiner gedanklichen »Baustellen« quasi wieder in Betrieb gebracht: »Weihnachten, ein kritischer Blick«.
Grundsätzlich geht es mir um die Frage, wie ich zu Weihnachten stehen soll. »Was für ’ne Frage!«, fährt es dem gemeinen Blog-Leser jetzt durch den Kopf. »Du bist Christ und zudem noch angehender Pfarrer – an Weihnachten kommt Gott zur Welt…«
Ja, ich weiß. Darüber freue ich mich in der Tat.
Also andersrum aufgerollt: Grob gesprochen, höre ich an Weihnachten zwei Typen von Predigten (und meine eigenen weihnachtlichen Impulse lassen sich vermutlich auch ganz gut entsprechend einordnen…):
Viele verschiedene Aspekte: Was will die Predigt? Inkulturation oder Konterkulturation des Evangeliums? Wer gehört zur Kirche? Aber in jedem Fall zwei Extrempositionen, die mich zunehmend unbefriedigt zurücklassen.
Bleibt also nur das laue Badewasser der Ambivalenz (oder – theologisch gesprochen – der Dialektik)?! Oder geht es auch anders?! Ich hätte schon Ideen…bin aber gespannt, was ihr meint! Dabei interessieren mich auch die Stimmen derjenigen Leser, die Weihnachtspredigten bevorzugt hören, nicht unbedingt selber halten: Was erwartet ihr? Was wollt ihr? Welche Weihnachtspredigt ist euch bis heute im Kopf?!
Bis dahin lese ich schon mal »trottwars« »Tipps gegen den Weihnachtsblues«. Ach ja – im Seminar analysieren wir kommende Woche eine Schleiermacher-Weihnachtspredigt…und dann noch die »Weihnachtsfeier« desselben Autors, eine (laut Klappentext) »in künstlerische Form gekleidete Betrachtung über das Wesen des Christentums«…puuh… Ob ich dann wieder ganz anders über die Sache denke?!
8. Dezember 2007 um 06.20 Uhr
Ich neige eher zu Typ 1 als Hörer und Predigt-Halter. Natürlich muss man vorsichtig sein, nicht die allgemeine Weihnachsharmonie mit dem Reich Gottes zu verwechseln, denn erstere ist ja höchst ambivalent (die Witwe, deren Mann in diesem Jahr verstorben ist und die alleinerziehende Mutter haben vielleicht gar nicht so warme Gefühle, sondern fühlen sich sehr einsam). Trotzdem meine ich, dass in dem Guten und Schönen, das wir mit Weihnachten verbinden, auch in den Geschenken, ansatzweise der Geist von Weihnachten lebt. Das jetzt konsumkritisch schlecht zu machen, halte ich für den völlig falschen Weg, statt dessen würde ich mir wünschen, dass die Predigt das, was in Rudimenten noch vorhanden ist, ein Stück vertiefen kann.
8. Dezember 2007 um 10.02 Uhr
Ich hätte noch Typ 3 im Angebot:
Das Evangelium: “Gott wurde arm für uns, damit wir durch seine Armut reich werden.”
Das lässt sich auch gut mit Aspekten der beiden vorigen Typen verbinden.
12. Dezember 2007 um 01.53 Uhr
…yep – glaube auch an Typ 3…und daran, dass das Evangelium, dass Christus selbst die beiden genannten Extrema verbindet.
Gegen die Einseitigkeit von Typ 2 spricht aus meiner Sicht auch die Beobachtung, dass die – zweifellos vorhandenen! – weihnachtlichen Ambivalenzerfahrungen von den Menschen ja durchaus wach wahrgenommen werden: Dass die allseits beschworene Idylle an Weihnachten schlicht nicht funktioniert, dass »Familien zusammenkommen, sich aneinander ärgern und sich erinnern, warum sie sich sonst nicht sehen« (so ein Freund neulich via Rund-email), dass auch der Konsum Grenzen kennt etc., das alles muss eine Predigt ihren Hörern nicht erst einreden. Und wo dann doch die ernsthafte Hoffnung auf etwas mehr Liebe und Harmonie bleibt, da würde ich das (mit Augustinus & Co.) durchaus als Hinweis auf eine göttliche Sehnsucht werten. Dann aber sollten wir uns – und jetzt kommt endlich mal Dietrich Bonhoeffer ins Spiel – davor hüten, den Menschen diese Aspekte »madig zu machen«.